Offroad im Oued Rheris

SabineMarokko, Reisen

Oed Rheris in Marokko

Die beiden Städte Erfoud und Merzouga im Südosten Marokkos, werden verbunden durch die Nationalstraße 13. Aber mal ehrlich: Wer will schon auf befestigten Straße fahren? Wir schalten Allrad ein und fahren offroad durch das fast menschenleere Oued Rheris.


Mit neuen Bekannten auf Tour

Wir sind auf ein Kennenlernen verabredet. Mit Oschi, einem Steyr 12M18 der uns aufgrund seiner Farbe sofort ins Auge fiel, als wir ihn auf Bildern im Netz zum ersten mal sahen … und mit seinen Besitzern natürlich.

In einem leuchtenden Grün strahlt er uns schon von weitem entgegen, als wir uns auf der Anfahrt zum verabredeten Treffpunkt, einem riesigen Krater in der Nähe der Ortschaft Oujda befinden. An der kreisrunden Felsformation scheint es heute einigermaßen ruhig und beschaulich – neben Oschi haben sich offensichtlich noch zwei andere Reisefahrzeuge eingefunden, um die Nacht zu verbringen.

Einsam und verlassen ist zwar etwas anderes, aber die Piste hier her ist auch extrem gut befahrbar und der Krater liegt gar nicht weit ab einer Hauptstraße. Dennoch: Er erfreut sich wohl einer gewissen Beliebtheit und hat auch schon wesentlich größeren Rummel erlebt.

Wäre man hier Anfang Juni letzten Jahres her gekommen, hätte man sogar Daniel Craig bei den Dreharbeiten zum neuesten James Bond Abenteuer Spectre zuwinken können.

Der Meteoritenkrater aus dem Film ist in Wirklichkeit allerdings „nur“ ein erloschener Vulkan – auch wenn uns hier in der Gegend überall am Straßenrand Gestein (wahlweise Fossilien oder eben auch Meteoritenbruchstücke, wenn man für Fossilien kein Interesse hegt), zum kauf angeboten werden … gegen kleines Geld oder als Tausch für eine Dose Bier.

Es wird ein total lustiger Abend mit Mi und Christian, Oschis Besitzern. Geschichten aus 1001 schlaflosen Nacht des Wohnkoffer-Selberbauens werden ausgetauscht, sich über Fehlkonstruktionen und die Sternstunden des Handwerker-Zusammenlebens kaputt gelacht. Wir verstehen uns sofort und beschließen, die nächsten Tage gemeinsam beim Offroadfahren in der Wüste zu verbringen.

Oschi von Mi und Christian – Hier zeigen wir Dir den LKW ausführlich von innen und außen!

Oued Rheris

Wir fahren noch einmal in das Gebiet zurück, in dem wir mit der Pistenkuh und Landy2go unsere ersten, richtigen Tiefsandstücke gemeistert haben. War die Fahrt beim ersten mal noch der reinste Nervenkitzel für uns, weil wir nicht wussten, wie Herman und wir als Offroadanfänger das schaffen würden, genossen wir diesmal schon die Ruhe und Sicherheit in einem bestens geeigneten Fahrzeug unterwegs zu sein. Herman hat für den weichen Sand zwar sehr schmale Schuhe an, aber er grub sich auch zu den abgelegensten Plätzen durch, als wenn er kleine Schäufelchen an den Rädern hätte!

Das Qued Rheris ist kein Touristischer Höhepunkt wie Erg Chebbi oder Erg Chegaga. Hier herrscht absolute Ruhe und die Landschaft ist mindestens ebenso grandios. Passend ließen wir die folgenden Tage ruhig angehen. Hier und da mal ein paar Kilometer fahren, ein wenig zu Fuß die Dünen erkunden und versuchen zu entschlüsseln, zu welchen Tieren die Spuren im Sand gehören, am Lagerfeuer sitzen, lecker kochen … Im Oued Rheris hat man einfach seine Ruhe. Hier kommt kaum mal jemand vorbei.

Besuch vom Hirten

Ich mache gerade Feuerholz für den Abend, als ich einige Meter von den beiden LKW entfernt plötzlich Besuch bekomme. Ein dunkelhäutiger Mann mit sonnengegerbten, lederartigen Falten und einem sympathischen aber zahnlosen Lächeln im Gesicht lässt ich neben mir nieder. Er beäugt mich, während er immer weiter lächelt. Er findet es wohl befremdlich aber auch ein bisschen lustig, dass ich ein elektrisches Gerät nutzte, um das Holz in passende Stücke für unseren Holzofen zu schneiden. Ich wette er hat noch nie eine Frau mit Akkukreissäge in der Wüste rumhampeln sehen.

Der ältere Herr wirkt sehr nett und zurückhaltend auf mich. Ich lächle zurück und begrüße ihn so gut ich kann auf Arabisch. Dabei setze ich mich mich einfach neben ihn. Ich weiß nicht, wie ich mich weiter mit ihm unterhalten soll, denn mit meinem Französisch ist es nicht weit her. Das spielt aber auch eigentlich keine Rolle. Französisch ist in Marokko die Bildungs- und Handelssprache. Die Berber im Süden sprechen häufig selbst nur einen ihrer vielen Berberdialekte, weshalb es hier sowieso mit Händen und Füßen gehen muss.

Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Der Mann im weißen Gewand und mit dem großen, ebenfalls weißen Turban auf dem Kopf ist geschickt darin, mir mitzuteilen, was er sagen oder wissen will.

Er fragt mich, ob diese schweren Fahrzeuge denn nicht im Sand stecken bleiben. Er macht eine lustige Handbewegung und ein noch lustigeres Geräusch, als er den einsinkenden LKW darstellt. Wir lachen herzlich und ich gebe im zu verstehen, dass es ganz gut geht.

Über ihn erfahre ich, dass er die kleine Herde Dromedare, die inzwischen einfach ohne ihn weiterziehen, von Zagora nach Merzouga bringt. Er macht mit dem Finger einen kleinen Punkt in den Sand – „Zagora“. Einen weiteren Punk – „Merzouga“. Die beiden Punkte verbindet er mit einer Linie, die er in den weichen Wüstenboden zieht. Eine erhobene Hand, an der er der Reihe nach alle 5 Finger abzählt… fünf, okay. Das nächste Zeichen ist eindeutig das für Schlafen.

Fünf Nächte oder fünf Tage ist er also mit den Dromedaren hier, durchs Oued Rheris unterwegs? Wow. Ich überlege noch einmal, ob der ältere Herr wirklich schon so alt ist, oder ob Sonne und Wüste sein Gesicht eigentlich viel zu früh so faltig ledern wirken lassen. Nach meinen Schätzungen könnte er 80 Jahre alt sein und ich frage mich, wie alt er wohl wirklich ist. Bestimmt hält es fit, so viel zu Fuß unterwegs zu sein, denke ich. Ich werfe ihm ein anerkennend nickendes WOW für seine Leistung entgegen. Er winkt ab, als wenn das ja gar nichts wäre, doch da ist noch etwas, dass er mir über seinen Fußmarsch erzählen möchte.

Er sagt einen Satz, den ich natürlich nicht verstehe und zeigt auf seine Schuhe. Er trägt, perfekt abgestimmt zur Farbe seines übrigens Outfits, ein paar Chucks, die in ihrem früheren Leben offenbar einmal weiß gewesen sein sollen. Na das sind ja die perfekten Laufschuhe, denke ich noch. Wir haben während unseres Aufenthalts in Marokko schon gelernt, was für ein begehrtes Gut Schuhe sein können. Mit dem Verschenken eines ausgemusterten Paares erntet man bei den Nomaden ein glücklicheres Gesicht als Zuhause bei Kindern an Weihnachten.

Während ich noch darüber nachdenke, hat mein weißer Hirte den Stoffschuh vom Fuß gestreift. Was der leichte Stoffschlappen entblößt, versetzt mir einen Stich in der Magengegend. Rote, offene Wunden und große Blasen übersähen den Fuß des alten Mannes. Die sind zu klein sagen mir seine Hände. Oh ja, das sehe ich! Da ist dieser unheimlich nette, ältere Herr ganz allein für 5 Tage im absoluten Nichts unterwegs – in viel zu kleinen Schuhen. Das darf ja wohl nicht wahr sein.

Er zieht den Schuh wieder über, steht auf und verabschiedet sich, während ich es noch nicht glauben kann und ihn wahrscheinlich angucke wie ein Auto.

Im nächsten Moment versuche ich ihm klar zu machen, dass ich ins Fahrzeug gehen werde, jedoch gleich wieder komme. Wir haben keine passenden Schuhe für ihn mehr an Bord, aber irgendwo habe ich eine gute Wund- und Heilsalbe, die ich ihm gerne schenken möchte. Doch sein Blick sucht die Tiere, die hinter den nächsten Dünen schon gar nicht mehr zu sehen sind und beeilt sich, ihnen hinterher zu kommen.

Wir müssen unbedingt organisierter werden. Ich suche eine gefühlte Ewigkeit nach der Wundsalbe. Als ich wider nach draußen komme, ist der Hirte nicht mehr zu sehen.

Die Begegnung mit dem Hirten hat mich nachdenklich gemacht. Das nächste mal, wenn ich mich über etwas beklage und denke ich hätte es schwer, werde ich an Dich denken, Hirte in Weiß!

Sandsurfen am LKW

Gut, dass der Hirte nicht vorbeikam, als wir uns diesen Spaß erlaubten – er hätte vermutlich gedacht, dass diese verwöhnten Europäer nicht alle Latten am Zaun haben. Wobei … so wie die Leute hier drauf sind, hätte er es sogar eher cool gefunden und mitgefeiert.

Dass man an der Dune du Pilat nicht mit dem LKW Reifenschlauch den Sand nicht in rasanter Fahrt hinunterbrettern konnte, nagt bis heute an Micha. Heute haben wir Abhilfe geschaffen und dafür gesorgt, dass der Reifen rutscht. Nicht freiwillig, aber dafür mit ganz viel PS. Das Oued Rheris ist nicht nur wunderschön, sondern auch ein perfekter Spielplatz.

Wir müssen weiter

Leider hat es die Internetabdeckung noch nicht geschafft, bis in die hintersten Winkel des Oued Rheris vorzudringen. Leider müssen wir langsam zurück Richtung Zivilisation um ein bisschen zu Arbeiten, denn sonst ist der Spaß unserer Dauerreise bald vorbei.

Vor unserer Abfahrt nach Marokko haben wir uns die Frage gestellt, wie gut uns so viel Wüste wohl gefallen würde. Könnte uns das nicht nach wenigen Tagen langweilen, so viel Sand und Stein und so wenig saftiges Grün? Eigentlich stehen wir auf Wald, grüne Wiesen, plätschernde Bachläufe … aber die Wüste hat uns dann doch überrascht. Mit ihrer Anmut und einer Vielfalt, die wir ihr nicht zugetraut hatten.

Während man in einem Wald meist nur bis zum nächsten Baum sehen kann, steht man in den unglaublichen Weiten dieser Landschaft hier und fühlt … fast ein Stück Unendlichkeit. Hinter jeder neuen Hügelkette sieht es wieder völlig anders aus. Goldgelbe Felder aus puderzuckerfeinem Sand wechseln sich ab mit fast pechschwarz erscheinenden Ebenen aus zum Teil bizarr geformten Steinen. Die Aus- und Weitblicke sind einfach atemberaubend!

Und auch hier gibt es saftig und grün – nicht nur in den Oasen mit ihren schier unzähligen Dattelpalmen! Nein, hier im Oued Rheris, wo wir ein Lagerplätzchen vor einem kleinen Dünenfeld bezogen haben, lehrt uns die Wüste einmal mehr das Staunen. Als wir aus dem Wagen steigen entdecken wir auf dem kleinen Sandhügelchen vor uns komische Formen und es sieht aus, als wenn Kinder eine Menge kleiner Spielzeugbälle vergessen hätten – weit gefehlt: Hier wachsen und gedeihen gerade zahlreich die Früchte einer Wassermelonenart!

Und wie Du im Video schon sehen konntest: Auch die Tierwelt ist hier ganz schön beeindruckend.

Schade, dass wir nach ein paar Tagen erst einmal zurück in „Internet-Reichweite“ müssen. Wir können es schon jetzt fast nicht erwarten, die nächsten Pisten zu erkunden.

Naja, im Augenblick stehen wir dank funktionierender Internetverbindung außerhalb von Merzouga, wo wir uns in den ersten kleinen Dünen des Erg Chebbi häuslich eingerichtet haben – ein Arbeitsplatz kann definitiv schlechter aussehen.

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