Endlich! Wir sind abseits von geteerten Straßen. Der Hohe Atlas und die erste Piste um die Cathedrale des Roches warten schon auf uns!
Um Spaß zu haben, muss man nicht gleich das Rad neu erfinden. Für unsere ersten Pistenabenteuer in Marokko orientieren wir uns an Reisenden, die die Gegend hier bereits wie ihre Westentasche kennen. Sie können Schwierigkeiten bestimmter Routen, für solche Newbies wie uns, auch sehr viel besser einschätzen und sagen, wo man vermutlich lang kommt – oder auch nicht. Dafür haben wir uns das GPS-Offroad-Tourenbuch Marokko* der Pistenkuh zugelegt. Mit dem Tourenbuch von Burkhard und Sabine kann man vorher abschätzen, ob die Strecke zu den eigenen Fahrfähigkeiten und dem Fahrzeug passt und was man auch landschaftlich von der Strecke erwarten darf.
Hoher Atlas, wir kommen
Als erste Strecke haben wir uns etwas Einfaches ausgesucht: Klar, wir sind ja auch Anfänger, was das Offroadfahren angeht. Die Piste „Cathedrale des Roches“ hört sich an, wie für uns gemacht: Eine Schwierigkeitsstufe von nur 2 von 5 und eine Bewertung von 5 Sternen für die landschaftliche Schönheit. Über den Hohen Atlas wollen wir eh. Es geht also los.
Auf der Fahrt von Casablanca aus Richtung Berge können wir uns noch gar nicht vorstellen, dass wir bald in einem Gebirge mit zum Teil über 4000 Metern Höhe sein sollen. Alles ist flach, Holland ist dagegen ein Kindergarten!
Und dann zeichnet sich am Hoizont so eine komische Linie ab. Ok, da kommen sie, die Berge. Aber bis dahin ist nicht mal ein Hügelchen zu bewältigen. Das Gebirge kommt uns vor wie in die flache Landschaft hineingeworfen. Wir schlafen noch einmal auf der letzten Raststätte der Autobahn, Richtung Beni Mellal. Auf Autobahnraststätten schlafen, erweist sich in Marokko als absolut problemlos. Auf dieser schließen wir Freundschaft mit einem unglaublich süßen Trupp Straßenhunde, der aus Mutter und zwei Welpen besteht. Gut, dass wir schon einen Hund haben, der keine „anderen Götter neben sich“ gutheißen würde.

Doch so flach die Landschaft bisher auch war – als wir da sind, geht es bergauf …. STEIL bergauf! Mit 10 km/h schrauben wir uns Meter für Meter nach oben. Herman ist nicht der Schnellste, aber der Zuverlässigste! Ohne Murren und mit einem Motorgeräusch wie ein Uhrwerk, läuft und läuft er seit seiner Motorrevision über jede Strecke, die wir ihm vorsetzen. Und dann geht’s endlich auf unbefestigten Untergrund!
Das Atlasgebirge – Einfach überwältigend
„Landschaftlich reizvoll“ und „immer wieder schöne Ausblicke“. Die Beschreibung von Burkhard in seinem Offroad Führer sind für das, was folgt wohl ganz leicht untertrieben, wie wir finden! Der Blick auf die vor einem liegende Piste, die sich an den Bergkämmen entlängschlängelt … WOW!

Die erste Zeit müssen wir ein Auge auf unsere Hündin Fenja haben, weil es ziemlich warm im Fahrzeug ist (wie geil, denn wir haben immerhin Mitte November) … und dann liegt da plötzlich Schnee!
Rings um uns ist einfach nichts. Das heißt, immer mal wieder begegnen uns Menschen mit ihren Packeseln. Wir fragen uns, wie lange sie wohl von ihrem Hof zum nächsten Dorf unterwegs sein mögen. Wir fangen an, unheimlichen Respekt vor diesen Menschen zu bekommen. Ältere Frauen, die teilweise große Bündel schleppen, sind zu Fuß unterwegs. Sprichwörtlich über Stock und Stein geht es für sie. Kilometerweit über teils schlechteste Trampelpfade … sie laufen hier um Wasser zu holen einen halben Tag zum Brunnen und zurück! WOW! Wir wünschen uns zwar etwas mehr Komfort aber nicht minder, in diesem Alter noch so gut zu Fuß zu sein.
Auf den Hauptstraßen kann man sich aber auch vom Bus mitnehmen lassen. Das sieht hier so aus:

Alltag einmal anders
Auch mehrere Dörfer liegen natürlich auf unserer Strecke. Wir befinden uns quasi in einer Welt, die wir noch nicht kannten.
Es scheint hier das Normalste der Welt zu sein, auf den Dächern der wenigen Autos Ziegen, Schafe und fast 20 Personen zu transportieren. Ebenso gehört es zum gewöhnlichen Dorfbild, dass die Frauen gemeinsam am Fluss ein Feuer machen, um in großen Kübeln heiß ihre Wäsche zu waschen und diese mit langen Holzlatten auszuklopfen. Nicht wegzudenken: Der Packesel das normale Transportmittel der Familien darstellt. Einkaufen gehen bedeutet hier einen langen Fußmarsch ins nächste Dorf am Markttag.
Ja, wir verwöhnten Mitteleuropäer fühlen uns hier schon ein bisschen wie in einer anderen Welt. Und man fragt sich ganz schnell in welchem Luxus und überflüssigen Konsumwahn wir so leben.
Die Teppiche und außerordentlich farbenfrohen Kleidungsstücke, die die Frauen im Fluss gewaschen haben, begegnen einem noch Kilometer vom Dorf entfernt. Hier wird die Wäsche nicht über Wäscheleinen gehängt, geschweige denn, dass sich die Dorfbewohnerinnen den puren Luxus eines Wäschetrockners erträumen könnten… Nein, hier tut ein kahler Baum oder eine Mauer am Fluss die Pflicht des Trocknens. Das ist praktisch, denn die familieneigene Kuh weidet schließlich gleich daneben und am Abend nimmt man beides mit nach Hause.

So durchfahren wir Berge und Täler auf unserem Weg durch den Hohen Atlas. Die Dorfbewohner sind extrem höflich und grüßen uns sehr nett, während die Kinder schon von weitem die Chance des Tages sehen, etwas Geld oder sonst etwas abzustauben. Hören sie den LKW, kommen sie von weitem angerannt, winken und geben uns Zeichen zum Anhalten. Einige male enden ihre Versuche etwas zu bekommen auch in Wut, wenn wir nicht angehalten haben. Böse kann man da schwerlich sein. Wir möchten uns gar nicht vorstellen, wie reich wir in den Augen dieser Kinder hier wirken müssen …
Aus dem GPS-Reiseführer der Pistenkuh wissen wir, dass wir im „Tal der Glücklichen“ sind, als die Piste sich dem Ende zuneigt. So soll es genannt werden, wegen seiner blühenden Landwirtschaft. Und tatsächlich ahnt man schon von weit oben auf dem Berg, dass der Name berechtigt sein muss, wenn man ins Tal hinab sieht. Seit Tagen haben wir nicht so grüne Felder gesehen, so zahlreiche Flussläufe und Häuser, die im Gegensatz zu den Höfen im Gebirge sogar richtige Fenster und Türen haben!

Das Tal der Glücklichen markiert das Ende der Tour um die Kathedrale des Roches. Bis zu der kleinen Stadt Demnate geht es noch etliche Kilometer über Teer durch die Landschaft des Hohen Atlas.
Dort sehen wir nach 4 Tagen auch die erste Tankstelle. Zum Glück. Unser kleiner Tank fasst viel zu wenig Reserven. Dafür haben wir einige 20L-Kanister zum nachfüllen dabei. Einer ist sogar noch übrig, als wir die Tankstelle erreichen.
In der Nähe der Stadt übernachten wir am Wegesrand, bevor es quer durchs Gebirge nach Ouzarzazate geht. Und so plötzlich wie das Gebirge begann, endet es auch wieder. Runter vom Berg mit Serpentinen und Gefälle von bestimmt 25%. Dann beginnt die Straße, die immer nur gerade aus zu gehen scheint. Flach, ohne jegliche Kurven und Hügel.
So erreichen wir die Stadt, die sehr modern und quirlig wirkt. Das erste, das uns hier in Empfang nimmt, ist ein Schild auf dem steht „Camping“. Wir lassen uns diesen Luxus nicht entgehen, denn nach 5 Tagen gibt es hier bestimmt endlich mal wieder Internetempfang, um uns bei unserer Familie zu melden. Das ist heute auch besonders wichtig ist, denn Michas Papa hat Geburtstag. Außerdem müssen wir Arbeiten und den Steyr vor der nächsten Piste checken.
50 Dirham am Tag, also ungefähr 5 Euro, das ist uns die Erholung nach immer noch nicht ganz überstandener Grippe und den Tagen auf der Piste allemal wert.
Doch kaum auf den Platz gefahren, sehnen wir uns schon wieder nach Ruhe und freiem stehen in schöner Landschaft. Den Aufenthalt hier verschönern uns allerdings Helen und Graham, die wir bereits in Fes kennen gelernt hatten.
In den nächsten Tagen geht es für uns Richtung Wüste.
Ob wir den LKW durch die Tiefsandpassagen der kommenden Pisten gesteuert kriegen oder die schmalen Reifen uns einen Strich durch die Rechnung machen … das erzählen wir in den nächsten Reiseberichten.
Diese Tour in unserem Video-Tagebuch:
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Unsere Marokko Reisetipps, unsere Aufstellung der Reisekosten für 3 Monate im Land, Eindrücke zur Sicherheit und viele weitere Reiseberichte:
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