Mittwoch, 12.12.2018
Für den Teil unserer kleinen Truppe, die in Tunesien ihren Urlaub verbringt, ist heute ein geruhsamer Tag. Micha und ich, Phil und Karo, sowie Uli und Edith müssen heute arbeiten. Viel ist in den letzten Tagen liegen geblieben, Mails und To Do‘s stapeln sich auf dem Bildschirm unseres Rechners.
Das Gute in Tunesien ist: Wir müssen dafür nicht unseren Standort in den Dünen verlassen. Nur ein einziges mal ist es uns passiert, dass wir in der tunesischen Sahara keinen 3G Empfang hatten. 4G ist das Übliche – egal wo. Und das für einen Preis von gerade mal ca. 14 Euro für 55 GB. Das 37-fache zahlen wir in Deutschland für so viele Daten und das, wo der Empfang in der Düsseldorfer Innenstadt nicht so gut ist, wie hier an der entlegensten Düne. Jedes Cafe, jede kleine Tankstelle bietet hier freies Wlan an. Für digitale Nomaden wie uns, sind die Zustände schier paradiesisch.
Am Nachmittag wollen wir fertig sein. Von hier aus brauchen wir etwa eine Stunde bis zu einer asphaltierten Straße, auf dieser wollen wir dann zurück, Richtung Douz. Morgen ist dort Wochenmarkt, einer der größten und schönsten in Tunesien soll es sein. Etwa 2,5 Stunden planen wir für die Strecke auf befestigtem Untergrund ein. So schnell kann das gehen – um von Douz aus hier her zu kommen, haben wir auf der „romantischen Route“ ganze drei Tage gebraucht!

Romantische Routen VS normales Auto
Oft werden wir gefragt, ob man unsere schönen Ziele auch mit einem „normalen“ Fahrzeug erreichen kann. Klar, wenn Du inmitten der Sahara campen willst, macht ein 4×4 Antrieb schon Sinn. Aber man muss ganz klar zwischen zwei Dingen unterscheiden: Möchtest Du ein Ziel, wie Ksar Ghilan oder Douz erreichen oder ist Dir das Ziel gar nicht so wichtig – Hauptsache Du hast den spannendsten (= schwierigsten) Strecke dorthin gewählt.
Klar erreicht man die Oasen auch mit einem normalen Auto, die Einheimischen benutzen schließlich auch keine Allradmonster um zum Markt zu fahren. Es kommt nur darauf an, welchen Weg Du nimmst. Zu den meisten Zielen gibt es für jeden einen richtigen Weg.
Ich muss bei solchen Gesprächen häufiger an jemanden denken, den wir vor Jahren auf dem Willytreffen kennenlernten. Der Kerl erzählte uns mit einer unvorstellbaren Selbstverständlichkeit, dass seine letzte Reise mit einem AOK Krankenrollstuhl von Münschen nach Wladiwostok ging. Von München nach Wladiwostok! Im AOK Chopper! Ich bin sicher, er hat dabei auf so mancher Straße mehr erlebt als wir mit unseren „Expeditionsmobilen“ im tiefsten Gelände.
Für mich heißt das: Egal, was Du für ein Fahrzeug hast: Gehe raus und erlebe Deine Abenteuer! Plane Deine Strecken nach den Möglichkeiten Deines Gefährts oder danach, wie gut Du zu Fuß unterwegs bist – aber geh raus und erlebe etwas. Nutze Deine Zeit, sammle Erfahrungen, lerne Neues. Sei nicht leichtfertig oder blauäugig und reise mit gesundem Menschenverstand. Das eigentliche Ziel liegt derweil nicht auf einer Landkarte. Aber auf dem Weg dahin liegt die Erfüllung Deiner Sehnsucht nach Freiheit und dem Finden dessen, was für Dich persönlich zählt.
Verzögerte Abfahrt
Als wir los wollen erfahren wir, dass es noch etwas dauern wird. Der niedrige Luftdruck und eine Schräglage haben dem Zetros einen Reifen von der Felge gezogen. Der 13tonner hängt mit Schlagseite in einer Senke. Das Rad zum Wechseln auszugraben könnte ihn kippen lassen. In Gedanken richte ich mich bereits für den Rest der Woche an diesem schönen Fleckchen Erde ein. Doch was haben wir auf dieser Tour gelernt: Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Erfahrung. Und so ist es gut, dass wir Tobi mal wieder aus unserem Staufach für Notfälle holen können.
Klar, hier gehörte eine gehörige Portion Glück dazu, dass es tatsächlich so einfach klappte – doch genau so zu graben, dass der LKW stabil blieb und der Reifen die Möglichkeit hatte, durch aufpumpen von selbst wieder auf die Felge zu springen, das war schon gekonnt! Die Bergung, die am Ende hätte Tage dauern können, brauchte so nicht einmal eine Stunde Zeit. Wow.
Ich werde also doch noch den morgigen Markt in Douz erleben können, darauf hatte ich mich gefreut.

Zurück in Douz
Am Abend treffen wir auf dem Campingplatz ein, den wir als Ausgangspunkt für unserer Fahrt durch den Parc national de Jbel bezogen hatten. Ein Landyfahrer aus Deutschland ist da und ein Rucksackreisender arabischer Herkunft aus Frankreich. Bashir, der uns bereits letztes mal so freundlich in Empfang genommen hat, bittet uns zum gemeinsamen Lagerfeuer.
Es ist ein entspannter Abend bei „Berber“ Bier und guter Laune. Neben dem Austausch von Reisegeschichten erhält der Rucksackreisende eine Lehrstunde in arabischer Schrift. Dort, wo der Schein des Feuers den Boden erhellt, wird mit einem Stöckchen gemalt. Bashir korrigiert. Er, der mit seinen Gästen Englisch spricht, versucht sich derweil in ein paar Worten auf Deutsch – so leicht und gemeinschaftlich kann die Welt sein. Ein Abend, wie er mit keinem Geld der Welt zu bezahlen ist.