Mit dem Wohnmobil offroad durch Marokko zu reisen und Wüstenlandschaften, abseits des Massentourismus zu erleben – das hinterlässt Eindrücke für’s Leben. Vor allem, wenn man ganz wichtige Dinge nicht beachtet. Wie wir jetzt ein für allemal gelernt haben: CAMPE NICHT IM WADI!
Die Begeisterung hält sich in Grenzen, als wir an diesem Morgen im Wohnmobil die Augen aufschlagen. Wir haben das Gefühl, uns auf einem Segelschiff zu befinden, denn der Wind schaukelt unseren LKW in starken Böen von rechts nach links.
Der Blick aus dem Fenster zeigt einen Himmel voller Wolken. Nicht gerade optimales Wetter für unseren derzeitigen Standort, in den Bergen des Anti Atlas. Ein gemeinsames Frühstück bei einsetzendem Regen mit unseren derzeitigen Begleitern Annika und Flo im Opel Monteray Dachzeltcamper, und es ist beschlossene Sache: Für uns geht es gemeinsam runter ins Tal.
Wadi Tamanart
Wir nehmen die Serpentinenstraße bergab und fahren über Pisten bis zu einem Palmenhain. Hier befindet sich unser Einstieg ins Wadi Tamanart. 25 Kilometer weit soll es durch das ausgetrocknete Flussbett gehen, dass zu beiden Seiten von sich malerisch erhebenden Bergen eingeschlossen wird.

Wir kommen nur langsam voran. Die Piste, sowie das gesamte Wadi bestehen aus Steinen – mal kleinere, mal richtig dicke Brocken. Unser LKW schiebt sich Meter für Meter voran, unter den Reifen knarzt die lose Schicht aus Kies und Geröll. Einige Steine halten der tonnenschweren Belastung nicht Stand und zerbersten mit einem lauten Knall. Das ausgetrocknete Flussbett schüttelt uns ganz schön durch.
Unter diesen Bedingungen zieht sich die Strecke länger als sie ist. Doch das macht nichts – wir haben sowieso geplant, zwischendurch eine Nacht auf der Piste im Tamanart zu verbringen. Etwa eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit haben alle für heute genug. Wir steigen aus und halten gemeinsam Ausschau nach einem geeigneten Lagerplatz.
Reifenpanne Nummer 1
Nur noch ein ganz kleines Stückchen ist es bis zu der Stelle an der Felswand, die wir von hier aus für geeignet zum Schlafen halten … doch was ist das? Ein leises Zischen ist zu vernehmen, als wir weiterfahren wollen. Ein Reifen hat wohl den Kürzeren im Kampf mit den dicken Kieselsteinen gezogen. Langsam aber sicher wird der Abstand der Felge zum Boden kleiner und kleiner. Ein Schlauchwechsel steht auf dem Programm.
Das haben wir wohl schon ganz schön lange nicht mehr gemacht. Und wie viel ein ebener, betonierter Boden zum schnellen Gelingen beitragen kann, wussten wir vorher auch noch nie zu schätzen! Unsere Stimmung sinkt auf einen Tiefpunkt, als wir merken, dass wir es vor der Dunkelheit vielleicht nicht mehr schaffen. Annika und Flo tun ihr Bestes, um unsere fehlende Übung mit den Trilexfelgen herunterzuspielen, doch wir ärgern uns über uns selbst.
Gerade noch rechtzeitig zum Einsetzen neuer Regenfälle und dem Einbrechen der Dunkelheit, öffnen wir die Hydraulik des Wagenhebers. Herman steht wieder sicher auf vier Rädern, doch zu der zuvor ausgesuchten Stelle fahren wir jetzt nicht mehr. Im Dunkeln ist das hier Selbstmord.
Stattdessen machen wir an Ort und Stelle ein kleines Lagerfeuer. Naja, Lagerfeuer kann man es nicht wirklich nennen. Mit Hängen und Würgen halten wir ein, zwei dünne Ästchen im leichten Regen am kokeln. Was für ein Tag…

Überraschung am Morgen
Am nächsten Morgen werden wir wieder von Windgeräuschen geweckt. Doch irgendwas stimmt nicht. Obwohl wir ein lautes Rauschen vernehmen, wackelt Herman nicht im Geringsten. Annika und Flo sind schon draußen unterwegs, es sieht aus, als wehe kein Lüftchen. Komisch.
„Hört ihr das auch?“
Ja, keine Frage irgendwas ist zu hören aber wir machen uns weiter keine Gedanken, wir wollen los. Die Strecke, die wir nun zurücklegen sollten, misst nach allgemeiner Schätzung der Beteiligten nicht mehr als 500 Meter: Wasser schneidet uns den Weg in dem gerade noch furztrockenen Flussbett ab!
Annikas riesengroße Augen spiegeln ihr Erstaunen, als sie uns erzählt, wie sie gerade noch mit ihrem Hund Nico beim Spaziergang an genau dieser Stelle stand. Und zwar trockenen Fußes, da wo ein neu entstandener Fluss jetzt Schlamm und sogar ausgerissene Büsche an uns vorbei spült.

Die Situation macht uns einigermaßen sprachlos. Vor allem, wenn wir bedenken, dass wir eigentlich zum Schlafen genau hier unser Lager aufschlagen wollten!
Wir fangen an eine Furt zu suchen, durch die wir das Wasser queren können. Allerdings ist die Piste ist nicht mehr erkennbar und die richtig dicken Steine können mit Leichtigkeit einen großen Schaden am Wohnmobil verursachen, wenn man sie nicht sieht.
Während Micha durch das Wasser watet und nach dem besten Durchkommen sucht, steigt das Wasser weiter an. Bis er den Rückweg vom anderen Ufer antritt, umspült das Wasser nicht nur die Waden sondern seine Knie und kommt langsam an den Oberschenkeln an. Keine Chance!
Bei einem Blick auf die vor uns liegende Strecke stellen wir zudem fest, dass wir den Fluss noch 10 mal kreuzen müssten, bevor wir wieder aus dem Wadi kommen. Wer weiß, ob die Durchfahrten dort nicht noch viel tiefer und die Steine noch viel dicker sind? Mit einem Wasserschlag im Motor wäre die Reise sowas von zu Ende. Und nicht nur diese. Da wir erst eine Motorrevision hinter uns haben, wäre das erstmal das Ende unseres mobilen Lebens.
Es gibt also kein Vorwärtskommen. Ein Zurück aber auch nicht. Wir sitzen auf unserer kleinen Anhöhe fest!
Wenn’s mal wieder länger dauert …
Natürlich Glück, überhaupt auf einer Anhöhe zu stehen. Um das Steigen oder Fallen des Pegels besser verfolgen zu können, stecken wir ein Stahlrohr in den Boden des Uferbereichs. Eine Klemme dient als Markierung des Wasserstandes.
Ein weiteres mal Glück gehabt! Schon nach kurzer Zeit lässt unsere ausgeklügelte Konstruktion erkennen, dass das Wasser wieder fällt. Wir brauchen also nicht zu befürchten im Laufe der Stunden zu versinken, sondern haben nichts weiter zu tun, als es uns gemütlich zu machen und abzuwarten. An Bord unserer Fahrzeuge befindet sich alles, was wir uns wünschen könnten – erst Tags zuvor waren wir noch in einem Städtchen einkaufen. Von Obst und Gemüse bis hin zu frischer Minze für den in Marokko geliebten, unfassbar süßen „Berber Whiskey“ (also grünem Tee mit Pfefferminz) ist alles dabei.
Warten fällt also nicht schwer und es wird beschlossen, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Wir drehen eine kleine Videovorstellung vom Dachzeltcamper. Ok, über den den Satz „Dann fahren wir mal weiter“, mit dem wir das Video abschließen, mussten wir angesichts der Situation selber lachen!
Opel Monteray Dachzeltcamper
Für unter 10.000,- Euro haben Annika und Flo sich ein Reisefahrzeug gebaut, mit dem sie ein halbes Jahr durch Marokko reisen. Hier stellen sie Dir „Monty“ im Video vor:

Wie gekommen, so zerronnen
Am nächsten Morgen ist der Fluss, der uns gestern noch den Weg nach allen Seiten abgeschnitten hat, einfach wie vom Erdboden verschluckt Gut, das ist er natürlich auch wirklich. Aber die Geschwindigkeit, mit der solche Wassermengen kommen und gehen können, ist beeindruckend. Klar haben wir alle schon etwas von Springfluten gehört. Doch in eine solche Situation zu kommen, damit haben wir nicht gerechnet. Das Phänomen, das wir aus der Theorie kannten, hat für uns jetzt plötzlich ein reelles Gesicht.
Wir sind froh und dankbar, dass wir sehr glimpflich davon gekommen sind. Wären die Regenfälle in den Bergen stärker gewesen, hätte das auch blöd für uns enden können.
Wir lassen das Wadi hinter uns
Auf der weiteren Durchquerung des Wadis erhielten wir übrigens noch einmal die Gelegenheit, die Sache mit dem Reifenwechsel zu üben. Wie wir dabei feststellen mussten, handelte es sich bei diesem Mal allerdings nicht um eine Reifenpanne. Eine Fehleinschätzung hat dafür gesorgt, dass wir das mit den Trilexfelgen jetzt wieder voll drauf haben. Das passte auf jeden Fall noch zum Rest der etwas chaotischen Tour.
Diese Tour im Video-Tagebuch ansehen
Und die Moral von der Geschicht?
Falls Du Dir bei Deinen Offroadtouren auch noch nie Gedanken um die Gefahr von „Flash Floods“ gemacht hast – denk an die Dummheiten, die wir hier gemacht haben!
Checke den Wetterbericht und überlege gut, ob überhaupt und wo Du im Wadi Dein Lager aufschlägst!
Mehr aus Marokko
Infos für Deine Marokkoreise
Was kosten 90 Tage Marokko im Wohnmobil und wie steht es um die Sicherheit im Land? Alle wichtigen Reisetipps gibt’s hier im Überblick:
Reiseberichte
Marokko, Tunesien, Sardinien …
Super dabei zu haben
Nanoband oder Campinggeschirr aus Glas? Dinge für unterwegs, die sich auf unseren Reisen als unersetzlich oder „leider geil“ herausgestellt haben!