Sidi Bou Said und ein fleißiger Drogenfahnder beim Zoll

SabineReisetagebuch

Donnerstag, 20.12.2018

Heute Abend verlassen wir Tunesien. Die Fähre startet um 22 Uhr Richtung Genua. Bis dahin bleibt uns noch viel Zeit für die Sehenswürdigkeiten, direkt vor unserer Nase liegen.

Sidi Bou Said

Unser Instagram Kanal wurde von Visit Tunisia abonniert, bei denen wir direkt einmal durch die Fotos stöbern müssen. So werden wir aufmerksam auf die Stadt Sidi Bou Said, denn bei den Bildern müssen wir sofort an die blaue Stadt Chefchaouen in Marokko denken.

Anders als in Chefchaouen, wo die Häuser komplett in Blau gepinselt sind, werden bei den Häusern in Sidi Bou Said allerdings nur die Anbauten, wie Balkone, Türen, Fensterläden, Geländer usw. in kräftiges Blau getaucht. Die Hauswände erstrahlen Blütenweiß. Das sieht toll aus und es liegt auf unserem Weg zur Fähre.

Wir steuern den großen Parkplatz an, den wir bei der Planung der Route entdecken – und zahlen zum Parken den Preis für einen Reisebus, obwohl Herman wunderbar auf einen kleinen Parkplatz passt. Es ist der 10-fache Preis, der Phil und Karo für den Dico berechnet wird.

Die Stadt stellt sich als touristischstes Ziel heraus, das wir bei unserer Tunesienreise besuchen. In den Gassen über dem Hafen ist ganz schön was los. Souvenierhändler und Kioske reihen sich dicht an dicht, viele Menschen aus Tunesien machen offenbar Tagesausflüge hier her, auch Schulklassen sind unter den Besuchern. Ein paar Touristen anderer Nationalitäten mischen sich ebenfalls in den Trubel.

Sidi Bou Said liegt am Felsen von Karthago. Die lange, steile Treppe von den Souvenierhändlergassen hinunter zum Hafen, gibt den Blick auf den Golf von Tunis frei. Das üppige Grün an diesem Hügel wirkt fast ein bisschen tropisch. Wir befinden uns nun genau an dem Ort, den wir bei unserer Anreise von der Fähre aus bewundert haben.

Sidi Bou Said

Die Künstlerstadt bietet wirklich einen hübschen Anblick. Ich kann mich für Stadtbesichtigungen nie besonders erwärmen, doch die Häuser in Weiß und kräftigem Blau kann man sich ruhig auch als Kulturbanause einmal anschauen. Toll sind die kunstvoll verzierten, blauen Holztüren, die man bei den Souvenierhändlern auch als Kühlschrankmagnete und allen sonstigen Ausführungen bekommt.

Kunstvolle blaue Tür in Sidi Bou Said
Sidi Bou Said, Tunesien
Sidi Bou Said, Tunisia
Gasse in Sidi Bou Said

Den besten Kaffee den wir in Tunesien bekommen haben, trinken wir im Café Jasmin und setzen dann unseren Weg zur nächsten Station, die in Richtung Fähre liegt, fort.

Karthago

Der ursprüngliche Plan, die Antoninus-Pius-Thermen aus römischer Zeit zu besuchen, weicht unserem Hungergefühl, nachdem die ersten römischen Ruinen, die wir erblicken einfach grandios unspektakulär sind.

Eine echte Sehenswürdigkeit in Karthago besuchten wir jedoch sogar unplanmäßiger Weise. Der große Parkplatz zwischen Sidi Bou Said und Karthago lädt dazu ein, die Fahrzeuge abzustellen. Diesmal werden wir nicht abgezockt, der Parkplatz ist kostenlos – zumindest mal zu dieser Jahreszeit.

Gegenüber thront die imposante Moschee Malik ibn Anas. Der säulenbestandene Vorplatz des Gebäudes ist schon eine kleine Dokumentation im nächsten Video wert, denkt sich Micha. Er ist mit der Kamera im Eingangsbereich der Moschee unterwegs, als der Imam in weißem Gewand aus der Pforte tritt und mit den Armen fuchtelt.

Moschee Malik ibn Anas
Moschee Malik ibn Anas
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Ich schlendere mit Karo in einiger Entfernung über den vorgelagerten Parkplatz und denke nur: Oh oh. Jetzt kriegt Micha eine Abreibung. Fotografieren und Filmen mag man in solchen Ländern ja eh nicht so gerne. Bei öffentlichen Gebäuden handelt sich dies sogar um eine Straftat – ich bin mir nicht sicher, denke jedoch, es bei Oberhäuptern religiöser Gebäude wahrscheinlich ebenso wenig gut ankommt.

Der Imam und Micha verstehen sich aber scheinbar ausgezeichnet. Er lacht und freut sich, dass wir uns für die Moschee interessieren. Auf französisch lädt er uns ein, mit hinein zu kommen und uns von ihm das Gebäude zeigen zu lassen. Nur eine Kopfbedeckung brauchen wir alle.

Wir freuen uns, eine private Führung von dem netten Imam zu bekommen. Ich bin jedoch leider die einzige, die weder ein Cappie noch eine Kapuze hat. Ich gebe zu verstehen, dass ich draußen warte. Na gut – dann soll eben Micha sein Cappie an mich abgeben, er darf dann ohne rein.

Ich verstehe leider relativ wenig von der Führung, da ich am schlechtesten von allen der französischen Sprache mächtig bin. Doch das Gebäude ist beeindruckend und wirklich schön. Im Gegensatz zu christlichen Kirchen gibt in Moscheen (unserer spärlichen Erfahrung nach) weniger Prunk und Gold. Das heißt jedoch nicht, dass sie weniger Kunstvoll sind. Wir dürfen die Kabine sehen, in denen die Gesänge des Muezzins abgehalten werden. Über Lautsprecher im Minarett werden dadurch die Gläubigen fünfmal am Tag zum Gebet gerufen. Viermal am Tag ist die Uhrzeit festgelegt. Der Ruf am Morgen variiert jedoch in der Uhrzeit – er ertönt dann, wenn die Sonne aufgeht. Außerdem ruft der Muezzin zum Gebet auf, wenn im Umfeld der Moschee jemand verstorben ist, wie es bei uns die Kirchenglocken tun.
Der Muezzin ist dabei nicht mal ein Geistlicher. So, wie sein Ruf im Prinzip das Gleiche ist, wie bei uns das Läuten der Kirchenglocken, so gehört er einfach zum Personal der Moschee. Er bekleidet somit die gleiche Funktion wie ein Küster.

So viele Gemeinsamkeiten und dennoch so viel Hass auf beiden Seiten – das macht doch echt traurig.

Auch wenn wir uns zuvor bereits ein halbes Jahr in einem Land mit täglichen Rufen des Muezzin aufgehalten haben – er ist irgendwie immer etwas Besonderes geblieben, da man sich immer fühlt, wie in einer Geschichte aus 1001 Nacht, wenn er erklingt.

Reinkommen ist leicht – Rauskommen schon schwieriger

Wir sind früh an der Fähre. Auf dem Hafengelände nimmt uns sofort ein SUP unter seine Fittiche und zeigt uns, wo wir uns zum Warten anstellen können. Alles verläuft total problemlos. Wir sehen zu, wie ein Auto im Zoll neben uns total auseinander genommen wird. Vom Luftfilter bis zu Teilen der Bremsanlage wird das Fahrzeug auseinander genommen. Relativ amüsant anzusehen, so lange man nicht selber betroffen ist.

Beim tunesischen Zoll sind wir ruck zuck durch. Was wir erst jetzt erfahren werden ist, dass in der Warteschlange zur Fähre nochmal eine tunesisch-italiene Koop-Grenzkontrolle stattfindet. Und die hat es in sich! Insgesamt haben wir 5 mal (!) ein Durchsuchungs-Team im Auto. Jeder ist scheinbar auf etwas anderes spezialisiert – einer auf Menschenschmuggel, einer auf Drogen … während der Kontrolle auf Drogen befürchten wir, die Fähre zu verpassen. Der Mann mit finsterer Miene ist nicht zu Späßen aufgelegt, denn er ist sehr sicher, dass wir unter der Holzdecke der Wohnkabine Drogen in der Dämmung haben. Er durchwühlt unsere Kisten und findet eine große Schere – die Drohne muss er dabei auch gesehen haben, doch das ist ihm zum Glück offensichtlich egal. Immer wieder sticht er mit der Schere in unsere Dämmung und riecht daran beim herausziehen. Er ist sich nicht sicher, sticht immer neue Löcher. Jetzt möchte er einen Schraubenzieher haben, um die Deckenplatten abzuschrauben. Das ist schlecht, gibt ihm Micha zu verstehen, denn die Holzplatten sind festgeklebt! Er fordert den Abbau. Wenn er darauf besteht, fahren wir mit dieser Fähre nicht nach Hause und die Decke unserer Wohnkabine können wir wegschmeißen.

Ein zweiter Drogenfahnder kommt dazu. Er klopft auf unsere Dämmung und kapiert sofort. „Ahhh, Isolation!“ JA, GENAU! Wir hoffen, dass er seinen Kollegen überzeugen kann, als er ihm zu verstehen gibt: Ist nur Isolation, ich habe die beiden bei Facebook verfolgt. Oh mein Gott – dann hat er wohl auch unsere Drohnenbilder gesehen! Bei Volker ist die Sache ja nochmal glimpflich ausgegangen. Ein zweites mal möchten wir uns aber nicht bei der Guard National erklären müssen, die dann feststellt, dass die Drohne, die sie unserer Truppe abgenommen hat, nicht die einzige gewesen ist! Er fängt an zu telefonieren und verlässt kurz darauf unseren LKW. Ach Du scheiße … Er hat uns mit dem Telefonat aber wohl nicht verpfiffen, denn nach einem weiteren kurzen Umsehen des Scherenschnüfflers, verlässt auch dieser wortlos den Herman und kommt nicht wieder.

Die letzte Kontrolle hält uns auf, als wir mit den Vorderreifen auf der Rampe der Fähre stehen. Halt! Fahrzeug aus machen, aussteigen, Kabine aufmachen! Die letzte Kontrolle sucht tatsächlich hier noch einmal nach Flüchtlingen. Es sind Italiener, die wollen die Flüchtlinge auf jeden Fall bereits hier aus den Karren holen. Finden sie erst in Italien, hat sie das Land an der Backe.

Endlich auf dem Schiff!

Wir machen drei Kreuze, als wir der LKW auf der Fähre verzurrt wird. Durch unsere Drogenkontrolle schaffen wir es in letzter Minute. Als das Schiff sich in Bewegung setzt, klopft uns das Herz noch immer bis zum Hals. Geschafft, wir können planmäßig nach Hause fahren.

Phil und Karo hatten sich schon Sorgen gemacht und sind froh, dass wir nachkommen. Die Kontrolle bei ihnen ist nicht so intensiv ausgefallen. Im Nachhinein müssen wir sagen, dass wir uns an Stelle der Kontrolleure selber verdächtig vorgekommen wären. Wer fährt schon so eine Karre,die innen aussieht wie ein Saustall. Kein Ausbau und nur Silberfolie an den Wänden. Nichts, als eine Holzdecke mit fetten Nuten zwischen den Platten und eine Matratze auf dem Boden. Wir können den Verdacht keinem Verübeln.

Bei der Überfahrt haben wir es mit rauer See zu tun. Die Fähre schaukelt wirklich übel und dazu haben wir diesmal eine Kabine ganz vorne im Schiff – damit man auch etwas davon hat! Phil ist der erste, der eine unserer vorsorglich gekauften Tabletten gegen Reiseübelkeit* nimmt, die auch sofort die Lage verbessert. Micha und Karo folgen seinem Beispiel. Ich verbringe die schlimmste Zeit des Seegangs im Bett, wo ich das Geschaukel total angenehm finde.

Jetzt geht’s nach Hause, Weihnachten feiern. Unsere Familie freut sich schon auf uns und wir uns auf sie.

Nach den Feiertagen wartet dann der Innenausbau von Herman 3 auf uns.