Samstag, 15.12.2018
War das eine Nacht! Windig ist es ja am Abend schon gewesen. Doch über Nacht zogen solche Sturmböen über die völlig ungeschützt und erhöht gelegene Fläche hinweg, auf der wir unser Camp aufgeschlagen haben, dass wir lange wach lagen. Der LKW schaukelte im Wind und ich konnte nicht schlafen, weil ich die fixe Idee entwickelte, dass sich die Handbremse lösen könnte und wir den Hang hinunterstürzen könnten, der vor uns lag. Völliger Blödsinn, aber wenn man so ein Bild erst mal im Kopf hat…
Im Vergleich zu zwei unserer Mitreisenden hatten wir allerdings dennoch eine sehr ruhige Nacht. Phil und Karo im Dachzelt wurden anständig durchgeschüttelt. Nicht unbedingt besser machte die Dachzeltsituation, dass die beiden die Stangen für das Oberzelt zuhause vergessen hatten. Die lose herumhängende Außenhaut des Zeltes, die als wunderbarer Windfang über Nacht fungierte, hat innen bestimmt für Freude gesorgt.
Irgendwann in der Nacht wurde es draußen hell und die beiden parkten den Disco auf der Wind abgewandten Seite des MAN.
Am Morgen erzählt mir Karo, dass ihr die gleiche Idee mit der Handbremse den Schlaf geraubt hatte. Sie hatte sich über Nacht eine komplette Staffel ihrer Lieblingsserie reingezogen – dem unfassbar guten Internetempfang in Tunesien sei Dank. An einem so abgelegenen Ort in Deutschland wäre nicht einmal an Telefonempfang zu denken, hier flimmern gestreamte Filme ruckelfrei mitten in der Wüste über den Bildschirm. Zukunftsstandort Deutschland kann ich da nur sagen.
Bei Sonnenaufgang legt sich der Wind. Micha nutzt das und ist seit kurz vor 6 Uhr unterwegs zum dem wunderschönen Platz auf dem wir stehen für dieses Video festzuhalten. Toll, das Micha das kann, denke ich immer wieder. Die Erinnerungen an all die traumhaften Plätze werden durch seine Fotos und Videos so wundervoll frisch gehalten. Meine Schnappschüsse können da natürlich nicht mithalten.

Ab zur Küste mit überraschenden Eindrücken
Heute werden wir den letzten Abend mit allen Mitreisenden verbringen. Gemeinsam verlassen wir das Landesinnere, um an die Küste zu fahren. Ein Abend am Strand würde doch einen würdigen Abschluss für die tolle gemeinsame Zeit bilden, denken wir uns. Auf google maps findet Clemens eine Stelle bei Le Chaffar, die sich uns geradezu anbietet. Ein breiter Sandstrand, ein kleines Wäldchen, an dem man geschützt campen kann – sieht perfekt aus, los geht’s!
Die Landstraße P14, die Gafsa mit dem nahe von Le Chaffar gelegenen Sfax verbindet, ist unsere heutige Route. Obwohl sich dies nicht unbedingt nach einer spannenden Strecke anhört, ist sie für uns doch mit überraschenden Eindrücken verbunden. So überraschend, dass ich mir bei der Einfahrt zu einer kleinen Stadt ganz genau den Ortsnamen merken will, um die Gegend hinterher auf meiner persönlichen Karte der Erlebnisse und Eindrücke richtig zuordnen zu können. Der Ort war Sened.
Die Orte und ihr Umfeld sind hier tatsächlich irgendwie anders als die, welche wir weiter südlich besucht hatten. Nicht die Architektur, die Anlagen oder Straßen. Das Stadtbild ist das Gleiche, doch geht es hier ungewohnt geordnet zu und es wirkt alles aufgeräumt und ordentlich. Als Erstes fällt einem auf, dass hier kaum Müll herumliegt, was an in so manchen anderen Gebieten ein echtes Problem darstellt. Auch in den Orten entlang der P14 herrscht reges Treiben auf der Straße. Metallbauer und Schreiner arbeiten auf den Bürgersteigen vor ihren Läden, gibt es die typischen Werkstätten, in denen an der Straße Autos und vor allem Mopeds instand gesetzt werden. Doch kein Schrotthaufen um die Werkstätten, kein undurchdringliches Durcheinander von Menschen, die nach dem Chaos-Prinzip unterwegs zu sein scheinen. Die Bürger von Sened sind zielstrebig unterwegs und nutzen dafür die Bürgersteige. Dabei werden die Bürgersteige nicht nur repariert, sondern sogar gekehrt! Straßenbäume werden getrimmt, Blumentöpfe zieren die Eingänge der Häuser.
Es sind sehr viele, kleine Dinge, die ein großes, anderes Gesamtbild ergeben. Es gefällt uns hier. Die typische Quirrligkeit der nordafrikanischen Dörfer, die wir bereits in Marokko lieben gelernt haben, aber ohne einige der unschönen Punkte, wie dem Müll.

In Meknassi setzt sich kurz nach dem Ortseingang ein Polizeiwagen mit Blaulicht (bzw. Rotlicht in Tunesien) vor unseren Konvoi. Stoppen möchte er uns nicht. Die P14 verläuft fast kerzengerade durch den Ort und wir werden darauf entlang eskortiert. Andere Autos müssen uns Platz machen, Arbeiter, die auf dem Mittelsteifen an einer Baustelle beschäftigt sind, werden angehalten, ihre Schaufeln beiseite zu holen. Die P14 hätte sich von uns ohne Probleme befahren lassen, doch die Polizeistreife will auf Nummer Sicher gehen. Am Ortsende fahren die beiden Beamten an die Seite, steigen aus und winken uns zum Abschied hinterher. Sowas hat man auch nicht alle Tage.
Es geht doch nichts über Pizza
Le Chaffar ist ein Urlaubsort mit Strandpromenade und einem Restaurant mit Meerblick, das wir zum Essen ansteuern. Für unsere Mitreisenden ist essen gehen in Tunesien eine tolle Sache. Es ist unfassbar günstig, immer mega lecker und die Auswahl an Köstlichkeiten groß … so lange man Fleisch isst. Micha und ich als Vegetarier stoßen hier an die Grenzen dessen, was unsere Körper in Sachen einseitige Ernährung verkraften. Einfach alles, was auf der Speisekarte steht, beinhaltet Fleisch oder Fisch. Genau eine einzige Sache gibt es, die für Vegetarier geeignet ist – Pizza Margarita. Wenn‘s ganz gut läuft, gibt es sogar eine Pizza mit Champignons oder einem anderen Gemüse.
Solche Speisekarten lassen uns normalerweise völlig kalt, da wir fast ausschließlich selber kochen. Da wir unser Zuhause immer dabei haben ist dies auch kein Problem und für uns normal. Auf dieser Reise sind wir jedoch mit einer Leerkabine und können all den anderen nicht ihren Wunsch Essen zu gehen vermiesen. Als Grünfutterfresser sind wir leider in der Minderheit.
So essen wir in Le Chaffar unsere gefühlt tausendste Pizza – der Hunger treibt‘s rein.
Stranderlebnis mit Verlusten
Nicht weit vom Restaurant, biegen wir ab auf den Strand. Man merkt, dass wir breitere Reifen und mehr PS unterm Hintern haben – auf Straßendruck fahren wir den weißen Sand. Einige Tümpel sind von der letzten Flut zurückgeblieben, wir durchfahren sie genauso problemlos wie die feinsandigen, trockenen Abschnitte des Strandes.

Fast vier Kilometer legen wir so zurück aber erkennen schon sehr viel früher, dass etwas mit unserer Vorstellung von diesem Ort, die wir uns über google maps gemacht hatten, nicht so richtig stimmt. Das Wäldchen entpuppte sich als ein paar Sträucher, die kaum 10 cm über den Boden ragten. Dazu blies ein Wind, der einem den Sand nur so in die Augen trieb und was wir zuvor in Senet an leeren Plastikflaschen am Straßenrand vermisst hatten, fand sich nun an unserem erträumten Traumplätzchen am Strand.
Das war wohl nix. Am Eingang zum Strand, wo wir hergekommen sind, gibt es ein kleines Fleckchen, das uns für die Nacht geeignet erscheint. Wir stehen dabei nicht weit von einer Häuserreihe, die offenbar zu einer Feriensiedlung gehört. Erst mal ein perfektes Plätzchen.

So schnell ist man sein Spielzeug los
Zeit für Micha und mich, ein bisschen zu arbeiten. Wir sitzen an unseren Rechnern, als wir hören, dass mindestens eine Drohne über unseren Köpfen kreist. Klar – in bewohntem Gebiet immer ein bisschen problematisch, da verboten … aber in dieser Hinsicht haben wir uns alle schon einmal schuldig gemacht 😉
Der Drohnenflug dieses Abends wird jedoch noch für Wirbel sorgen, der damit endet, dass Volker, der hier geflogen ist, nun nicht mehr im Besitz eines unerlaubten Flugkörpers ist. Dabei waren die Polizisten noch nicht einmal aus diesem Grund bei uns, sie wollten nur einmal mehr für unsere Sicherheit sorgen. Aber was sollen sie auch machen, wenn die Drohne dann genau vor dem Polizeiauto gelandet wird … dann ist das Ding halt weg.
Lektion des heutigen Tages: Nur Fliegen ist schöner … als erwischt werden.