Mit der Maurerkelle im Radlager – Reparatur auf marokkanisch

SabineCommunitygeschichten

Debbi und Dominik sind im Mercedes 310D auf Langzeitreise. Mit welch ungewöhnlichen Maßnahmen man sich manchmal helfen muss, wenn das Vanlife gerade nicht ist, wie hochglanzpolierte Instagram-Fotos es zeigen, davon erzählen sie hier in einem Pannenbericht aus einer marokkanischen Bushaltestelle.


Debbi erzählt:

Die Wohnung aufgeben und in einen Bus ziehen. Mit deinem rollenden Zuhause die Welt bereisen, an Palmenküsten stehen und Lagerfeuer unter dem schönen Sternenhimmel geniessen. Was ein Traum! Das Camperleben oder auch Vanlife ist doch einfach toll …
ABER HEY …

… was ist, wenn dein Zuhause plötzlich nicht mehr fährt? Du stehst mit deinem kompletten Hab und Gut irgendwo im Nirgendwo an einer Straße – im Norden Afrikas. Ja, du stehst und kannst auch nicht mehr weiterfahren. Ein hinteres Rad qualmt und es stinkt grauenhaft. Was nun?

Debbi von Hallo Abenteuer an der Außenküche

Heute gibt es von uns einen echt ehrlichen Pannen-Bericht aus unserem Camperleben!

Auf dem Weg nach Tafraoute

Der Tag startet super. Wir sind in Begleitung von zwei weiteren Campern unterwegs nach Tafraoute. Das Cruisen durch die marokkanische Berglandschaft macht Spaß, wir werden zum Couscous eingeladen und genießen atemberaubende Aussichten.

Dann plötzlich: Auf einer einsamen Nebenstraße, gute 10 Kilometer vor Tafraoute, beginnt unser linkes Hinterrad zu qualmen und es stinkt fürchterlich. Wir halten am Straßenrand. Die Radnabe ist höllisch heiß, die Dichtung macht ihrem Namen keine Ehre mehr. Um den Ölverlust zu kompensieren füllen wir über das Differenzial nach, aber es läuft umgehend auf der defekten Seite wieder heraus. So geht das nicht. Heute kommen wir auf keinen Fall mehr weiter, denn es wird bereits dunkel und mit kaputtem Auto in die Nacht fahren ist keine gute Idee.

Hoffentlich schaffen wir morgen mit abgekühltem Radlager die letzten Kilometer bis in die Stadt.

Ob wir schlafen können? Ja, natürlich! Mittlerweile bleiben wir bei Problemen echt gechillt. Das liegt vielleicht daran, dass uns erst vor drei Wochen in der Wüste von Mauretanien die Vorderachse kaputt gegangen ist. Diese ist auch noch immer nicht repariert. Mit ausgebauter, vorderer Antriebswelle und leicht schiefem Rad, fährt unser Bus aber ganz gut. Hier in Marokko fällt das gar nicht auf.

Reparatur unumgänglich

Am nächsten Tag schaffen wir ca. zwei Kilometer. Die Radnabe ist zu heiss und qualmt bereits wieder. Es steht fest, so können wir nicht mehr bis Tafraoute fahren, wo es Werkstätten und vielleicht Ersatzteile gibt. Aus Sicherheitsgründen und wegen der knöcheltiefen Schlaglöcher, verwerfen wir die Idee, das Radlager beim Fahren oder Abschleppen ruhig zu stellen, indem wir ein Skateboard unters Rad basteln.

Wir befinden uns an einem kleinen Dorf mit vier Häusern und einer Bushaltestelle. Wir sind gestrandet. Irgendwo im Nirgendwo. Ganz einfach den Pannendienst anrufen? Der kommt hier leider nicht. Also ruhig bleiben und Bestandsaufnahme. Wir haben Bier und Essen für mindestens 4 Tage. Es könnte schlimmer sein!

Es geht los!

Auf dem „Dorfplatz“ beginnt Dominic unseren Bus auseinander zu nehmen. Wir müssen erst wissen, was genau kaputt ist und wieso das Rad so heiß wird. Also aufbocken, Rad demontieren und Steckachse ausbauen. Die Situation ist schnell klar und Dominics Verdacht bestätigt sich. Unser Radlager ist nicht mehr da. Ja, richtig gelesen. Es ist nicht mehr da!! Einzelne Rollen kullern uns entgegen. Das typische Pfeifen, das einen solchen Schaden eigentlich lange im Voraus ankündigt, blieb leider aus.

Wir haben natürlich einiges an Ersatzteilen dabei. Auch ein Radlager – nur leider für die Vorderachse und das passt nicht für die Hinterachse… Unsere Begleiter (zwei davon haben ebenfalls einen Bremer) schauen bei ihren Ersatzteilen nach. Leider auch kein passendes Radlager. Es hätte ja sein können…

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Vernetzung ist alles

Durch die vielen Bekanntschaften hier auf der Reise sind wir in einigen WhatsApp-Gruppen. Mir kommt in den Sinn, dass da noch jemand mit einem Auto wie unseres ist und der sich sogar gerade in Tafraoute befindet. Persönlich kennen wir ihn allerdings nicht. Egal, probieren können wir es! Wir rufen an und fragen ob er eventuell ein passendes Radlager hat. Er muss nachschauen.

Es vergehen ein paar bange Minuten. Nein, sein Radlager passt leider auch nicht. Er bietet uns trotzdem an bei uns vorbeizufahren und eventuell zu helfen. Dieses Angebot nehmen wir gerne an.

Der aktuelle Plan sieht vor, dass wir unseren Bus hier stehen lassen und mit den anderen Campern nach Tafraoute fahren. Ein Ersatzteil wird es da vermutlich nicht geben aber die können es bestimmt besorgen. Nur leider ist Freitag und Freitags geht in Marokko gar nichts.

WhatsApp-Bekanntschaft Bo, kommt mit seinem Bremer vorbei – und einer Kiste voller Radlager von denen keines passt. So ein Mist. Plötzlich verschwindet er nochmal in seinem Bus und kommt mit einem passenden Ersatzteil wieder raus.

Hää? Ein schlechter Scherz? Wir wollen es nicht glauben aber das Radlager passt tatsächlich und sogar die Dichtungen sind dabei! Dieses Radlager hat er beim Kauf zu seinem Bus dazu bekommen und es dümpelte bisher in einer anderen Kiste vor sich hin. Bei seinem Bus hätte es gar nicht gepasst. Gibt es so viele Zufälle?

Das passende Ersatzteil haben wir nun also. Jetzt müssen wir nur noch reparieren. Die Männer machen sich ans Werk. In der Bushaltestelle wird eine Werkstatt improvisiert, die vor dem Wind schützt, der ansonsten Dreck und Staub in die Lager pustet. Alle graben ihr Werkzeug aus und zusammen ergibt das eine ganz ordentliche Ausstattung.

Die Reparatur findet aber natürlich trotzdem unter einfachsten Bedingungen statt. Das dauert natürlich. Mit meinen zwei linken Händen bin ich keine Hilfe. Also schnell unsere Vorräte geprüft und mich dann für einen Zitronenkuchen entschieden. Wenn schon alle wegen uns stehen, soll wenigstens die Verpflegung stimmen. Kaffee und Kuchen geht immer!

Auf die erste Euphorie über das passende Radlager folgt schnell Ernüchterung. Nicht nur das Radlager ist defekt, sondern auch der Stützring. Es wird beraten, ob wir nur mit dem neuen Radlager und dem defekten Stützring bis nach Tafraoute kommen. Dann würden wir zumindest nicht für Tage hier an der Strasse stehen.

Bo ist zwar überzeugt keinen passenden Stützring dabei zu haben, nach der Episode mit dem Radlager geht er aber lieber nochmal nachschauen. Das Glück lässt uns nicht im Stich. Bo‘s Auto entpuppt sich als Wundertüte und spuckt tatsächlich einen passenden Stützring aus.

Die Reparatur geht weiter und das nächste Teil fehlt – ein Sicherungsblech. Von so einer Kleinigkeit lassen wir uns jetzt aber nicht mehr aufhalten, beschließen wir! Kurzerhand wird eine Maurerkelle geopfert und daraus ein Sicherungsblech gebastelt.

Das Ganze zieht sich jetzt schon über Stunden und die Sonne geht langsam unter. Ob wir das heute noch hinkriegen?

Zum Einbau muss das Radlager in Motoröl erhitzt werden. Hmm… in unseren Kochtöpfen Motoröl wärmen??! Ohne mich! Aber bei fünf Campern und schlechten Entsorgungsmöglichkeiten, fährt ganz schön viel Müll mit. Wer hat Dosenfutter gegessen? Schnell ist eine passende Dose gefunden, die auf den Kocher kann, der Hund hat die Restentleerung übernommen.

Jetzt kommt der grosse Moment. Passt das Ganze in die Achse, inklusive dem selbstgebastelten Maurerkellen-Sicherungsblech?!

Nein, es passt nicht, das darf doch nicht wahr sein.

Etwas ratlos wird die Steckachse wieder demontiert. Da es mittlerweile bereits dunkel war, entschieden wir uns für die einfache Lösung. Der entstandene Spalt wurde kurzerhand mit U-Scheiben überbrückt, damit die Steckachse wieder momtiert werden konnte. Schnell das Rad wieder montiert und im Dunklen nach Tafraoute gefahren.

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Ab nach Tafraoute

Jiippii!! Wir fahren wieder und wir schaffen es sogar bis Tafraoute!

Am nächsten Tag finden wir die Ursache für den komischen Spalt, den wir hochprofessionell überbrückt hatten. Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste aber ein bisschen Gewalt ist die so mancher Bus-Reparatur. Wir waren beim Anziehen der Steckachse zu vorsichtig gewesen, jetzt ist der Spalt auch ohne unsere grandiosen U-Scheiben geschlossen.

Das liebevoll gebastelte Sicherungsblech war übrigens ebenfalls überflüssig. Auch da hat es an Gewaltbereitschaft gemangelt. Es muss lediglich die 3mm dicke U-Scheibe mit dem Meissel eingeschlagen werden. Das gebastelte Sicherungsblech und die einzelnen Rollen vom kaputten Radlager, haben wir als Erinnerung behalten.

Apropos Werkzeug

Du musst nicht gleich aus einer Maurerkelle ein Teil für Deine Achse basteln. Aber eine kleine Grundausstattung an Werkzeug sollte jeder im Camper dabei haben! Was unbedingt dazugehört? Hier sprechen wir darüber und geben unsere Erfahrungen weiter

Es kann weitergehen

Wir sind also wieder unterwegs und freuen uns auf das nächste Abenteuer. Allen Nicht-Mechanikern möchten wir mit diesem Bericht aber keine Angst machen, im Gegenteil. Es gibt immer eine Lösung!

Wir wünschen allen Abenteurern gute und pannenfreie Fahrt!

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